Die neue Rolle der Marktforschung.

Kundenbindung und MitarbeitermotivationVon Jörg Kohlbacher


Einleitung

Ob aus der in den vergangenen Jahren vielzitierten und oft gescholtenen Service-Wüste Deutschland mittlerweile eine Service Oase geworden ist, oder ob möglicherweise das Thema Kundenorientierung bei den meisten Unternehmen eher verbal als faktisch ernst genommen wird, sei dahingestellt.

 

Zur Kundenzufriedenheitskultur in Deutschland

Im eigenen Alltagserleben wird man mitunter das Gefühl nicht Ios, dass - in bester deutscher Tradition - dort wo der Gesetzgeber es angeordnet hat (Ladenschluss- und Rabattgesetz) zwar die Kundenrechte an Bedeutung gewonnen haben, dort aber, wo (a) entweder freiwillig etwas passieren hätte können, oder (b) es in den Köpfen zu einer Veränderung hätte kommen müssen, sich eher wenig getan hat.

So sucht man bis heute vergeblich nach Nachahmern des konsequent und ohne wenn und aber auf Kundenzufriedenheit ausgerichteten Unternehmens Land's End. Und auch die deutsche Automobilindustrie befand es bekanntlich bis heute nicht für nötig, ihre Garantieversprechen zumindest einmal näherungsweise an die Standard Gewährleistung insbesondere der japanischen Hersteller heranzuführen. In diesem Sinne wäre es wahrscheinlich zutreffender - will man die Entwicklung der letzten Jahre beschreiben - von einer zunehmenden »Verregulierung« der Kundenbeziehungen zu sprechen und weniger von einer Zunahme der Kundenorientierung an sich. Dessen ungeachtet - und scheinbar unvereinbar mit den oben genannten Hypothesen - sind spätestens seit Mitte der 90er Jahre Kundenzufriedenheitsbefragungen aus der betrieblichen (und damit auch der institutionellen) Marktforschung nicht mehr wegzudenken. Sie haben sich mit einer gewissen Verzögerung insbesondere gegenüber der US-amerikanischen Entwicklung auch in deutschen Unternehmen mittlerweile fest etabliert.

 

Das Spektrum an Untersuchungen ist groß

Stärken und Schwächen der Hotline

Abbildung 1: Stärken und Schwächen der Hotline

Getreu dem Grundsatz »You can't manage what you don't measure« sind diese Studien zu einem wichtigen und auch vielbeachteten innerbetrieblichen Instrument geworden, um Kundenorientierung und den Prozess der permanenten Qualitätsverbesserung zu überprüfen und kontinuierlich in Gang zu halten. Dabei reicht das Spektrum der Untersuchungen von (eher) strategisch ausgerichteten Studien über die Gesamtwahrnehmung des Unternehmens bis hin zu sehr spezifischen und detaillierten Überprüfungen einzelner Elemente der Service-Qualität. Beispiel für die erstgenannte Gruppe von Untersuchungen sind Customer Satisfaction-Programme, in denen alle wichtigen Schnittstellen zwischen Kunden und Unternehmen im Überblick beleuchtet werden.

Aufgrund der Breite der möglichen Fragestellungen ist bei diesem Untersuchungstyp der Tiefe der Information allein durch die begrenzte Interviewlänge (sprich: Zumutungsgrenze für den Befragten) eine Grenze gesetzt. Anders verhält es sich bei der zuletzt genannten Gruppe an Untersuchungen (Typ II): Wird zum Beispiel nur ein Leistungsbereich eines Unternehmens (zum Beispiel die Hotline für die Kunden) untersucht, erreicht die Untersuchung eine »Tiefe«, die direkt in die Formulierung sehr pragmatischer Umsetzungsempfehlungen mündet (oder münden sollte). Insbesondere diese »Typ II« Untersuchungen haben - unserer Erfahrung nach - bedingt durch deren hohe Beachtung, die sie in den verschiedenen Hierarchie-Stufen der Unternehmen mittlerweile genießen, einiges dazu beigetragen, die Rolle und Beratungskompetenz des betrieblichen Marktforschers deutlich zu stärken (siehe Abbildung 1).

 

»We are over-newst but underinformed«

Involvement der Marktforschung in den einzelnen Prozessebenen

Abbildung 2: Involvement der Marktforschung in den einzelnen Prozessebenen

Sofern die beiden bislang vertretenen Hypothesen stimmen, stehen wir nun also vor der widersprüchlichen Situation, dass wir einerseits konstatieren, dass sich nicht allzu viel in der deutschen Kundenzufriedenheitskultur in den letzten Jahren bewegt hat, und andererseits waren wir alle Zeugen (und auch Nutznießer) beständig steigender Forschungsbudgets in diesem Ressort. Wenn also die Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht den Erfolg gezeigt haben, den man erwarten müsste, hat dies ganz offensichtlich weniger oder gar nichts damit zu tun, dass nicht genügend in die Erforschung der Kundenmeinungen investiert wurde, sondern es muss irgendwo in den der Datenerhebung nachgelagerten Prozessen - Verarbeitung der Informationen, Ausarbeitung von Maßnahmen, Umsetzung von Maßnahmen und beziehungsweise oder Kontrolle des Erfolgs von Maßnahmen - begründet liegen.

Nun sind traditionell die der Datenerhebung nachgelagerten Prozesse nicht unbedingt das Terrain der marktforscherischen Kernkompetenz. Im Gegenteil: Nicht wenige der Kollegen tun sich bis heute ausgesprochen schwer, in die »Niederungen« der Maßnahmenableitung hinabzusteigen und den Betroffenen und Verantwortlichen zu helfen aus den Resultaten wirkungsvolle Maßnahmen abzuleiten, und beziehungsweise oder dort, wo unsere Ergebnisse noch nicht die notwendige Klarheit erbringen, an der weiteren Beseitigung gegebenenfalls vorhandener Widersprüche mitzuwirken. Dabei liegt das Problem hier oftmals keineswegs im fehlenden guten Willen, sondern - unserer Erfahrung nach darin, dass sich viele Kollegen damit schwer tun, sich von ihren Ergebnissen einmal ein wenig zu entfernen und gleichsam mit einem etwas distanzierten Blickwinkel - auch unter Vernachlässigung des einen oder anderen Detailergebnisses - das zu verbalisieren, was die Angelsachsen gerne mit »what to do on Monday morning« bezeichnen.

Es dürfte nicht zuletzt diese Verhaltensdisposition sein, die dazu beiträgt, dass das zuvor umrissene Aufgabengebiet von den zumeist nicht gern gesehenen, aber doch so viel pragmatischeren internen oder externen »Beratern« besetzt ist. Jedenfalls wurde unseres Erachtens das Beratungspotenzial, dass das hochspannende Forschungsfeld des Customer Satisfaction eröffnet hat, größtenteils nicht ausreichend vom »Gros« der Marktforscher erkannt und genutzt. Während die »Berater« jedweder Coleur das Feld der Umsetzung dieser Ergebnisse mit Hilfe von eigentlich leicht zu erlernenden Tools wie Problemrelevanzanalysen, Quality Function Deployment oder Balance Score Cards so besetzen, dass die innerbetriebliche Marktforschung hier nur noch das stauende Nachsehen hat. Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier soll nicht die These vertreten werden, dass die Zurückhaltung der Marktforschung in der Entwicklung von Maßnahmenpaketen die wesentliche Ursache für die immer noch mangelnde Kundenorientierung in Deutschland ist.

Obgleich dies eine überaus interessante Hypothese ist, die erst einmal fundiert zu falsifizieren wäre. Vielmehr möchten wir die Aufmerksamkeit auf eine ganz andere, im Moment noch in den Kinderschuhen steckende, Entwicklung lenken, die innerhalb kurzer Zeit zu einer ganz großen Herausforderung und Chance für die ganze Profession werden kann. Allerdings sind die Autoren dieses Beitrags davon überzeugt, dass die folgende Diskussion sowohl die betrieblichen als auch die Instituts-Marktforscher (relativ unvorbereitet) treffen wird, und vielleicht kann der Beitrag den Kollegen helfen, so manche Fehlentwicklung im Keim zu ersticken und gleichzeitig die Stellung der Marktforschung an sich gegen die Phalanx der bereits in den Startlöchern sitzenden Berater zu stärken.

 

Fehlende Anreizsysteme als die eigentlichen Motivationskiller?

Zusammenhang zwischen Kundenbewertung und variablen Gehalt

Abbildung 3: "Zu einfacher" Zusammenhang zwischen Kundenbewertung und variablen Gehalt

Warum also bleibt so häufig die Kundenorientierung der meisten Unternehmen weit hinter den durch verbale Verlautbarungen oder auch umfangreiche Forschungsaktivitäten geweckten Erwartungen zurück? Die meisten von uns, die in diesem Gebiet aktiv sind, werden in diesem Zusammenhang schon mehr als einmal den Satz gehört haben, dass alles »Menschenmögliche« getan und verbessert wurde, es zu guter Letzt aber »am Umdenken im Kopf« fehle oder aber »man halt nichts machen könne, wenn die Menschen nicht mitziehen«.

Nun entpuppt sich dieses im ersten Moment so schlagende Argument auf den zweiten Blick als analytisch wenig hilfreich. Letztlich wird mit dieser Argumentation die Erklärung nur in den Bereich des psychologisch-nebulösen »Verhalten ist schwer zu verstehen« verschoben, anstatt dass man in rationaler Art und Weise danach fragt, warum sich Mitarbeiter so und nicht anders verhalten. Und genau hier wird es eigentlich interessant:

Es scheint sich in diesem Zusammenhang zunehmend die Einsicht zu verbreiten, dass »fehlendes Umdenken im Kopf« etwas damit zu tun haben könnte, dass es hierzulande im Unterschied zu vielen anderen Ländern zu oft an entsprechenden Anreizsystemen fehlt, um diese »Umdenkungsprozesse« zu beschleunigen.

Nun soll hier nicht - in allzu platter Denkart - der Urthese des Materialismus, dass zu guter Letzt »das Sein das Bewusstsein bestimmt«, das Wort geredet werden; allerdings ist es wohl nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man sich mit seiner Freundlichkeit, dem Entgegenkommen und der Kundenorientierung im Verkauf leichter tut, wenn man merklich etwas davon hat. Eine Möglichkeit für die Konstruktion solcher Anreizsysteme sind Gehaltsvereinbarungen mit variablen Vergütungsanteilen, die es ermöglichen, besondere persönliche Anstrengungen, Leistungen und/oder Bemühungen zu belohnen, wie sie in den letzten Jahren zunehmend auch Eingang in Bereiche jenseits des direkten Vertriebs gefunden haben. Und damit war es nur eine Frage der Zeit, bis eine mit dieser Entwicklung eng verbundene Fragestellung auch die Marktforschung erreichte:
1. Kann man Marktforschungsdaten - zum Beispiel zur Zufriedenheit der Kunden - zur Überprüfung der individuellen Zielerreichung einsetzen ?
2. Und kann man diese Informationen auch dazu nutzen, in die quantitative Bestimmung des variablen Gehaltsanteils einzugehen ?

 

Was ist neu an diesen Fragen

Nun gehört das »Tracking« von Ergebnissen, die Aufstellung und Fortschreibung von Zeitreihen und damit letztendlich die Kontrolle des Erfolgs getroffener Maßnahmen, zu dem gleichsam generischen Standardinstrumentarium der Marktforschung, weshalb ganz selbstverständlich das »Gros« der Kollegen die erste der oben gestellten Fragen im Brustton der Überzeugung mit »Ja« beantwortet. Dagegen fällt bei der zweiten Frage die Antwort sicherlich schon etwas verhaltener aus. Aber der Reihe nach: Selbstverständlich sind wir gewohnt zu prüfen, inwieweit eine Veränderung zwischen zwei Messungen/Erhebungen signifikant unterschiedlich ist. Entsprechend können wir eine Frage danach, ob man sich jetzt verbessert hat, mit einem mehr oder weniger klarem »Ja« oder »Nein« beantworten.

Allerdings - und das kann man sehr gut nachvollziehen - ist diese Art der Antwort im Zusammenhang mit der Konstruktion wirkungsvoller Anreizsysteme kaum ausreichend. Bei der Konstruktion von Anreizsystemen gilt es natürlich nicht nur die Frage, »ob« man sich verbessert hat, zu beantworten, sondern - was wesentlicher ist - die Frage nach dem »wie viel«. Auf die Spitze getrieben mündet das eigentlich in die Frage nach einem »Tool«, das es den Verantwortlichen erlaubt, einen möglichst funktionalen Zusammenhang zwischen Kundenurteil und variablem Gehaltsanteil zu konstruieren. Und wie häufig in solchen Situationen werden wenn wir nicht aufpassen - ausgerechnet die einfachsten Lösungen hierbei schnell am höchsten gehandelt:

Solche überaus einfachen Lösungen bestehen zum Beispiel darin, dass eine Veränderung im Mittelwert von + »x-Prozent«, eine zusätzliche Prämie von »y-Prozent« bringt, oder aber analog dazu, dass die Zunahme des Anteils begeisterter Kunden von »x-Prozent« »y-Prozent« Zusatzeinkommen erbringt.

Eine Variation hierzu könnte sein, dass man einen Zielwert definiert und je nachdem wie weit der Zielwert überschritten wird, das variable Gehalt daran gekoppelt ist.

 

Das Problem und die Alternative

Kundenurteilbasiertes Leistungsmanagement

Abbildung 4: Kundenurteilbasiertes Leistungsmanagement

Es ist offensichtlich, dass jeder statistisch orientierte Kollege Einwände finden wird. Natürlich ist es mathematisch geradezu aberwitzig die Differenzen zweier (oder mehr) von uns gemessener Bewertungen als (eine) Determinante der variablen Gehaltsbestimmung heranzuziehen. Unter der Annahme, dass wir sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Messung den »wahren« Wert der Grundgesamtheit, mathematisch betrachtet, wahrscheinlich nur näherungsweise getroffen haben (unter Berücksichtigung von Stichprobengröße, Standardabweichung und Irrtumswahrscheinlichkeiten), hieße das, überspitzt formuliert, dass wir eine mehr oder weniger zufällige Differenz heranziehen, um einen Teil des variablen Gehalts zu definieren. Mit anderen Worten wäre die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils sozusagen direkt an den Zufall gekoppelt und von der Marktforschung sanktioniert. Andererseits müssen wir uns dieser An- und Herausforderung stellen, oder wir überlassen dieses interessante Terrain die Verknüpfung von Kundenurteilen und Leistungsmanagement- (wieder einmal) kampflos der Zunft der Berater, die hier (von rühmlichen Ausnahmen abgesehen) sicherlich mit weniger methodischen Skrupeln herangehen und Lösungen präsentieren werden.

Die Aufgabe besteht darin:
1. zu verhindern, dass offensichtlich fragwürdige Konstrukte von Zusammenhängen etabliert werden, die professionell unhaltbar sind und
2. nach Lösungen zu suchen, die dem Management diejenigen Informationen verschaffen, die zur Problemlösung zielführend sind, auch wenn sie nicht ganz der reinen Lehre entsprechen.

Aber welche Möglichkeiten haben wir? Die Anforderungen sind klar umrissen:
Das System muss
a) methodisch vertretbar,
b) in der Kommunikation einfach,
c) und in der Aussage so konkret sein, dass sie der reinen »Veränderung-Signifikant-Ja-Nein-Aussage« deutlich überlegen ist.

 

Wahrscheinlichkeitstheorie kreativ angewandt

Was wir im Regelfall haben, sind ein paar Messwerte im Zeitablauf, ein paar zusätzliche Informationen zu diesen Werten (Standardabweichungen/Fallzahlen) sowie die Erkenntnis, dass die schlichte Differenzenbildung (oder Zielwertüberschreitung) nicht zielführend sein kann. Daraus ergibt sich die Anforderung, aus diesen Informationen trotzdem ein seriöses Bauteil eines Anreizsystems für Mitarbeiter zu konstruieren, was bedeutend mehr leistet, als nur die Aussage zu formulieren, dass eine Veränderung signifikant ist oder nicht. Nun, genauso wie uns die Wahrscheinlichkeitstheorie einige Operationen und Vorgehensweisen verbietet, eröffnet sie uns anderseits auch Möglichkeiten, wenn wir sie nur kreativ anwenden und uns nicht in den Denk-Blockaden simpler Signifikanztests verfangen. Was zunächst kompliziert klingt, ist ganz einfach:

Es ist eine eingeschliffene und uns allen vertraute Konvention, dass man im Regelfall bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als fünf Prozent beziehungsweise einem Prozent von »statistischer Signifikanz« spricht.

Dabei neigen wir dazu, alles nicht Signifikante zu ignorieren, beziehungsweise es als Zufall zu deklarieren mit dem man nicht so recht seriös arbeiten kann. Korrekterweise müsste man wahrscheinlich sagen, dass wir natürlich auch oftmals nicht Signifikantes interpretieren. Sobald es jedoch »ernst« wird, gehen wir sofort dazu über, uns hinter diesen Tests die notwendige Rückendeckung zu holen.

Diese uns allen bekannten Signifikanzschwellen werden gleichsam in den Rang eines Quantensprungs erhoben, als ob mit dem Überschreiten dieser Grenzen eine besonders hohe Verbindlichkeit der Ergebnisse erreicht würde.

Dem ist aber keineswegs so. Die geltenden Signifikanz-Grenzen von fünf Prozent beziehungsweise einem Prozent sind keineswegs ein Quantensprung, sondern eben nur derjenige Punkt, wo die Wahrscheinlichkeit, dass der Unterschied zwischen zwei Werten eine Zufallsschwankung ist, kleiner als fünf Prozent beziehungsweise einem Prozent wird.

So wie man den Punkt bestimmen kann, wo die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Ergebnisses kleiner als fünf Prozent wird, kann man auch den Punkt bestimmen, wo die Wahrscheinlichkeit zehn, 15, 20, 30 oder 40 Prozent beträgt. Für jede Differenz zwischen zwei gemessenen Stichprobenwerten können wir benennen, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese Differenz zufällig oder überzufällig ist. Aus dieser banalen Erkenntnis heraus, eröffnet sich für unser Problem ein völlig neuer Horizont. Anstatt die »zweifelhaften« Differenzen zwischen zwei Messungen zur Grundlage von Leistungsanreizsystemen zu machen, betrachten wir die Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein gemessener Unterschied wirklich signifikant ist (bei bekannten Stichprobengrößen und Standardabweichungen), denn wir können für jede Differenz zwischen zwei Werten die statistische Sicherheit angeben mit der es sich um Zufall oder nicht handelt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Standardabweichung ein zu definierendes Maß nicht übersteigt. Mit anderen Worten: Dieses System ermöglicht es uns, unsern internen Kunden, die sich mit der Konstruktion von Leistungsmanagement - Systemen befassen, zu sagen, mit welcher statistischen Sicherheit eine Veränderung »überzufällig« ist. Und wie das oben angeführte Beispiel zeigt, stehen uns jetzt beliebig viele Unterschiedsstufen (von 99- prozentiger bis zu 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit) zur Verfügung, und damit eine bemerkenswerte Erhöhung der Möglichkeiten dieses Systems gegenüber einer reinen Signifikanz-Betrachtung (Ja/Nein). Wir halten das Instrument eines kundenzufriedenheitsbasierten Leistungsmanagementsystems in der Hand.

 

Operative Umsetzung

Nun, so schön dieses Instrument ist, es wartet unserer Erfahrung nach das nächste Problem und zwar eine Inflation der Ziele. Mit den Möglichkeiten, die unser System schafft, wird es natürlich spielend möglich, praktisch aus jeder in einer Befragung operationalisierten Variablen einen neuen Zielwert zu definieren. An dieser Stelle sind jetzt besonders die betrieblichen Marktforscher gefordert den Kollegen beratend zur Seite zu stehen, weil wir hier zwei Haupttätigkeitsgebiete sehen:

1. Festlegung der Ziele, die in das Vergütungssystem einfließen: Ideal wäre eine flexible Zielematrix, die jährlich überprüft und gegebenenfalls an das Umfeld angepasst wird. Je nach Lebenszyklusphase des Produktes und je nach strategischer Ausrichtung des Unternehmens stehen andere Ziele im Vordergrund. Aber auch hier gilt das Motto: »weniger ist mehr«, denn zu viele Ziele führen zur Konfusion und bei Nichterreichen zu Demotivation und schlechtem Betriebsklima.

2. Festlegung der Wichtigkeit der Ziele: In einem zweiten Schritt geht es darum, das Signifikanzniveau für die Ziele zu definieren. Das Unternehmen sollte relativ genau festlegen, welche aus den Kundenbefragungen identifizierten »Schwachstellen« verbessert werden sollen. Man muss sich darüber im klaren sein, dass unter Umständen ganze Prozesse verändert werden müssen und es ist angeraten, ein Zieleranking zu erstellen. Dabei gibt es mindestens drei Situationen, in denen das Niveau nicht unbedingt bei 90 Prozent und darüber liegen muss:
a) ein Ziel wird neu in die Maßnahmenliste aufgenommen,
b) das Ziel ist für die strategische Ausrichtung des Bereiches nicht ganz so wichtig und
c) ein Ziel, an dem schon lange gearbeitet wird, hat mittlerweile ein so hohes Niveau erreicht, dass keine wesentlichen Verbesserungen mehr erwartet werden können (wird das Niveau über einen längeren Zeitraum gehalten, sollte es aus den leistungsorientierten Zielen herausgenommen werden).

 

Vorteile dieses Systems

Die Marktforschung nimmt aktiv Anteil an der rationalen und vernünftigen Definition von Kennziffern, die die Mitarbeiter betreffen.

Diese Kennziffern sind kein starres und feststehendes System, sondern gemäß unserer schnelllebigen Märkte flexibel anpassbar.

Es wird ein Feld besetzt, was sonst über kurz oder lang wieder den Beratern gehört.

Wenn dieses Thema von den Beratern gelöst wird, ist die Gefahr mehr als groß, dass die Lösung nicht methodisch vertretbar ist.

Auch unser System ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Eigentlich geben wir dem Zufall zu viel Raum. Aber: Ist nicht auch so mancher Umsatz kurz vor Jahresende nicht eher Zufall als Ergebnis harten Arbeitens ?

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Planung & Analyse, 05.2001
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